„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unser Wachstum und unsere Freiheit.“– Viktor E. Frankl
Wir glauben, wir entscheiden bewusst. Rational. Aus dem Verstand heraus. Doch wenn wir ehrlich hinschauen – also so ganz ehrlich – merken wir: Die Richtung gibt oft jemand anders vor. Jemand Kleines in uns. Unser inneres Kind.
Was bedeutet es eigentlich, eine Entscheidung zu treffen?
Entscheiden heißt: einen Weg gehen und alle anderen Wege hinter sich lassen. Es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für das, was kommt – sondern auch für das, was dadurch nicht kommt. Und genau hier beginnt die Herausforderung, denn wer entscheidet, begegnet dem inneren Konflikt. Der Angst, einen Fehler zu machen oder eine Chance zu verpassen. Der inneren Unklarheit darüber, was sich wirklich stimmig anfühlt. Und ganz oft: dem alten im Körper und im Unterbewusstsein gespeicherten Schmerz.
Ja, richtig gelesen. Diese Angst kommt nicht aus dem Hier und Jetzt. Sie stammt aus der Zeit, in der Entscheidungen Konsequenzen hatten, die wir nicht tragen, nicht verstehen und nicht verarbeiten konnten. Als Dein „Nein“ beispielsweise mit Liebesentzug bestraft wurde oder Dein „Ich will das nicht“ zu Streit führte. Weil es Momente gab, in denen wir als Kinder keine Wahl hatten. Keine Stimme. Keine Kontrolle. Keine Wirkungserlaubnis. Situationen, in denen wir uns anpassen mussten, um zu überleben – emotional, psychisch und manchmal auch körperlich. In einer Zeit, in der unser ganzes menschliches Sein auf Sicherheit und Bindung ausgerichtet war.
Wenn Du Dich also schwertust, eine Entscheidung zu treffen, dann kann das ein alter Schutzmechanismus sein. Ein Muster, das Du irgendwann als Kind entwickelt hast, um Konflikte zu vermeiden oder Nähe zu erfahren. Dabei gibt es zahlreiche Facetten, wie sich das zeigen kann:
· Wenn Du Entscheidungen hinauszögerst, bis es nicht mehr anders geht, dann könnte dahinter die Angst stecken, etwas falsch zu machen. Vielleicht hast Du gelernt, dass Fehler nicht erlaubt sind. Dass Du nur dann geliebt wirst, wenn Du alles richtig machst. Das lähmt – und lässt dich warten, bis der Druck von außen größer ist als der innere Konflikt.
· Wenn Du andere ständig um Rat fragst, bevor Du Dich entscheidest, dann sehnst Du Dich möglicherweise nach Sicherheit und Bestätigung. Vielleicht hast Du als Kind erlebt, dass Deine eigene Wahrnehmung oder Meinung nicht gezählt hat. Und heute hoffst Du unbewusst, dass jemand anderes für Dich das Richtige weiß – weil Du Dir selbst noch nicht genug vertraust.
· Wenn Du impulsiv Entscheidungen triffst, um das unangenehme Gefühl loszuwerden, dann versuchst Du vielleicht, der inneren Unsicherheit auszuweichen. Schnell entscheiden fühlt sich kurz wie Kontrolle an – doch in Wahrheit ist es ein Fluchtreflex. Entstanden in Situationen, in denen Du gelernt hast: Es ist besser, schnell zu sein, bevor es weh tut.
· Wenn Du Veränderungen vermeidest, obwohl Dein Herz längst danach ruft, dann hält Dich vielleicht die Angst vor dem Unbekannten zurück. Als Kind war Veränderung womöglich mit Verlust, Instabilität oder Ohnmacht verbunden. Also bleibst Du lieber im Vertrauten – selbst wenn es Dich klein hält.
· Wenn Du Entscheidungen rein vernünftig triffst und Dich danach leer oder unverbunden fühlst, dann hast Du womöglich gelernt, dass Gefühle keinen Platz haben. Vielleicht war es sicherer, rational zu sein – weil Emotionalität belächelt, bestraft oder ignoriert wurde. Und so entscheidet der Verstand, während Dein Herz still bleibt.
Doch was passiert, wenn wir uns nicht für eine Veränderung entscheiden. Richtig, dann entscheiden wir uns im Alten zu verharren. Dann leben wir ein Leben in Reaktion und nicht in Gestaltung. Wir bleiben in Situationen, die uns klein halten, weil wir hoffen, dadurch sicher zu sein. Situationen, die Stillstand, Zweifel und innere Leere bedeuten.
Du bist heute nicht mehr das Kind von damals. Du darfst wählen. Du darfst fühlen. Du darfst irren. Alles ist erlaubt. Denn Entscheidungen entstehen nicht im Kopf, sondern in Verbindung zu Dir selbst.
Der mutigste Schritt ist ein Ja zu Dir selbst!